Erkrankungen der Rotatorenmanschette

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Etwa 16% aller muskuloskelettalen Erkrankungen betreffen mittlerweile die Schulter, dies am häufigsten zwischen dem 45.  und 64. Lebensjahr. Einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis von Schultererkrankungen hat in den letzten Jahren sicher die Arthroskopie geleistet. Wurde die Arthroskopie anfangs noch lediglich zur Diagnostik eingesetzt, so werden mittlerweile viele Operationen an der Schulter rein arthroskopisch durchgeführt.

Anatomisch besteht das Schultergelenk aus 4 Gelenken: dem Glenohumeralgelenk, dem Sternoklavikulargelenk, dem Akromioklavikulargelenk und dem skapulothorakalen Gelenk. Eine Dysfunktion nur eines dieser Gelenke kann somit auch die Schädigung der anderen Gelenke bewirken. Wurde früher der Begriff „Periarthropathia humeroscapularis“ als Synonym für eine Vielzahl von Schultererkrankungen gebraucht, so sprechen heute viele vom „Impingementsyndrom“, doch auch diese Terminologie sollte differenziert betrachtet werden. Als Ursache von Schulterschmerzen werden zum einen sogenannte periartikuläre Funktionsstörungen wie das Impingementsyndrom, die Tendinitis der Rotatorenmanschette, die Ruptur der Rotatorenmanschette, die Bizepstendinitis, die Entzündung des AC-Gelenks, eine Bursitis subakromialis oder eine Tendinitis calcarea von intraartikulären Störfaktoren wie der Omarthrose, der Osteonekrose, der „Cuff-Arthropathie“, der adhäsiven Kapsulitis, der septischen Arthritis und der glenohumeralen Instabilität unterschieden.

Das Impingementsyndrom der Schulter

Der Begriff "Impingement" beinhaltet mehrere Erkrankungsformen mit dem gemeinsamen Symptom des Schmerzes bei Überkopfarbeiten. Als Auslöser gelten mechanische Einklemmungen durch Veränderungen im Schulterdachbereich, Überlastungsschäden, Mikroverletzungen, direkte Verletzungen und Störungen der Blutversorgung der Rotatorenmanschette, was schließlich zu Schwellung und Einblutung in die Sehne, zur synovialen Hypertrophie und zur Schleimbeutelentzündung führt. Letztlich entwickelt sich auf dem Boden dieser Erkrankung eine Rotatorenmanschettenruptur (=Riss der Sehne).

Eine Schleimbeutelentzündung, die Bursitis subakromialis, führt aufgrund von Freisetzung von Zytokinen wie z.B. Interleukin-1-beta, Tumornekrosefaktor–alpha, transforming growth factor-beta, basic fibroblast growth factor und vascular endothelial growth factor zu Schmerzen, ein Grund, warum die subakromiale Kortisoninfiltration hilft.

Das klassische subakromiale Impingement involviert die vordere Schulterdachecke und die Unterfläche des Schulterdachs, das coracoacromiale Ligament sowie gelegentlich das Schultereckgelenk.

Es bildet sich also eine Engstelle aus, z.B. durch Schwellung der Sehne bei einer Tendinitis, sei es durch Bursitis, durch eine AC-Arthrose oder durch eine gestörte Biomechanik bei Rotatorenmanschettenruptur.

Ein sogenanntes „funktionelles Impingement“ liegt vor, wenn der Subakromialraum infolge einer Instabilität des Oberarmkopfes eingeengt wird. Dies beobachten wir bei „bandschwachen“ jugendlichen Sportlern und hier besonders bei Schwimmern und Wurfsportlern. Eine Sonderform stellt das postero-superiore glenoidale Impingement dar. Hier kommt es bei Hebung und Aussendrehbewegung des Arms zu einem Kontakt der Rotatorenmanschette mit dem oberen hinteren Pfannenrand, wodurch eine Auffaserung der Supraspinatussehne gelenkseitig und ansatznahe entsteht. Dies ist ebenfalls häufig bei Überkopfsportlern zu sehen.

Die Rotatorenmanschettenruptur

Die Rotatorenmanschette stellt eine muskulotendinöse Einheit dar, die in Kombination mit dem M. Deltoideus die Hebung der Schulter erlaubt. Die Rotatorenmanschette zentriert den Humeruskopf im Glenoid und wirkt einer superioren Translationskraft sowie Scherkräften, die durch den Deltamuskel infolge Anpressens des Kopfes gegen das Glenoid auftreten, entgegen. Erkrankungen der Rotatorenmanschette können zum einen zurückgeführt werden auf sogenannte intrinsische Faktoren, wie die intratendinöse degenerative Ruptur oder eine Tendinose, verursacht durch Alterung, Überbeanspruchung oder Avaskularität, zum anderen auf sogenannte extrinsische Faktoren wie Engstellen im subakromialen Raum.

Jedoch scheint bei den meisten Patienten mit Rotatorenmanschettenproblemen die primäre Pathologie in der Sehne selbst zu liegen. Bei degenerativen Sehnenveränderungen wurden zudem Veränderungen in der Kollagenzusammensetzung festgestellt. Bei jüngeren Individuen lässt sich hauptsächlich Kollagen Typ II nachweisen, während ältere Individuen Kollagen vom Typ III aufweisen.

Besonders häufig betroffen ist der M. supraspinatus, ein zarter und relativ schwacher Muskel. Sobald eine exzentrische Dehnungsüberbeanspruchung auftritt, die größer ist als die eigene Reparationsmöglichkeit der Sehne, tritt eine Verletzung der Rotatorenmanschette auf. Ein schwacher, ermüdeter und überbeanspruchter Muskel vermag dem starken Deltamuskel nicht Kontra zu bieten, was in einer Dezentrierung des Humeruskopfes bei Armhebung mündet, mit Humeruskopfmigration nach kranial und nachfolgender funktioneller Einengung des Subakromialraums. Anhaltende Rotatorenmanschettenschwäche mit Dezentrierung führt schließlich tatsächlich zu einem Impingement, dem sogenannten sekundären Impingement, mit Reiben der Sehne zwischen Tuberkulum majus, Akromion und AC-Band. Reaktive und degenerative ossäre Veränderungen wie die Osteophytenbildung, die sich als subakromiale Sporne bemerkbar machen, treten hinzu, und führen zu einer weiteren Schädigung der nun vorgeschädigten Rotatorenmanschette. Im allgemeinen Sinne als Minimaltrauma zu beurteilende Ereignisse führen schließlich zur Rotatorenmanschettenruptur. Die Ätiopathogenese einer Ruptur umfasst somit wiederholte Mikrotraumen infolge kontinuierlicher Belastung in einem kritischen Bereich, eine gewisse muskuläre Imbalance mit schlechter Koordinationsfähigkeit als Ergebnis inadäquaten Trainings und die Verschlimmerung infolge der Alterung.

Internationale Untersuchungen  zeigten, dass artikulärseitige Partialrupturen häufiger auftreten als bursaseitige. Dies mag zurückzuführen sein auf die bereits von Codman 1934 beschriebene Hypovaskularität im Ansatzbereich der Supraspinatussehne, wobei auch die artikulärseitige Schicht der Supraspinatus-Sehne eine verminderte Blutversorgung aufweist, hingegen die bursaseitige Sehnenschicht gefäßreich ist. Jedoch sind gerade diese hypovaskularisierten Areale besonders häufig von Rupturen betroffen, was die Bedeutung der Hypovaskularität in der Ätiologie der Rotatorenmanschettenruptur unterstreicht.

Die oftmals im Bereich des Tuberkulum majus erkennbaren Erosionen oder Exostosen, die bei etwa 20% der Patienten auftreten, sind wohl auf den gleichen Mechanismus des Impingements zurückzuführen. Das coracoakromiale Ligament stabilisiert und verhindert ein Höhertreten des Humeruskopfs. Es kann aber ebenfalls degenerativen Veränderungen unterliegen oder es kann sich ein sogenannter „traction spur“ im anterior-medialen Bandansatzbereich akromial bilden.

Prognose und Therapie der Rotatorenmanschettenruptur werden maßgeblich durch die Lokalisation, Ausdehnung, Entstehungsform und Dauer der bestehenden Ruptur mit nachfolgender Muskelatrophie bestimmt. Die Progredienz einer Ruptur hängt ab von  der Qualität der die Rupturstelle angrenzenden Fasern, von der Blutversorgung des übrigen Sehnengewebes, sowie von der initialen Rupturgröße. Zudem steigt die Spannung in der Sehne an, wenn die Ruhelänge des Muskels überschritten wird, dies umso mehr, wenn infolge eines bindegewebigen Umbaus die Elastizität und Dehnbarkeit verringert ist. Reißfestigkeit und Steifigkeit der Sehne nehmen mit dem Alter wohl ab. Experimentell konnte nachgewiesen werden, dass nach Trennung des M. Supraspinatus in eine bursa- und artikulärseitige Sehnenschicht eine relativ geringe Reißfestigkeit resultiert (Fmax.= 500N), was das Fortschreiten einer unversorgten Partialruptur zu einer Komplettruptur bei Beschwerden des Patienten erklärt.  Das Vorkommen einer Rotatorenmanschettenruptur vor dem 40. Lebensjahr ist zudem eine Seltenheit.

Von den degenerativen Rupturen sind prinzipiell traumatische Rupturen abzugrenzen. Verletzungsabläufe im Rahmen einer Luxation sind prinzipiell geeignet durch exzentrische Überdehnung die Sehne zu schädigen. Hierbei sind vorwiegend M. supraspinatus und infraspinatus betroffen. Aber auch eine exzentrische Belastung durch Muskelkontraktion angespannter RM-Teile durch äußere Gewalteinwirkung, können bei Überschreitung des physiologischen Dehnungsvermögens zum Riss führen. Eine isolierte Ruptur des M. subscapularis ist fast immer traumatischer Genese und tritt vorwiegend nach Schulterluxationen des älteren Patienten auf.

Die Diagnose

Der Weg zur Diagnose führt über die Krankengeschichte mit seit längerem bestehenden Schmerzen im Bereich der Schulter, Schmerzen beim Liegen auf der Schulter, Kraftlosigkeit, Schmerzen bei Abspreiz- und Vorwärtsbewegungen und auch in Bewegungsschmerzen. Mit einer differenzierten Schulteruntersuchung können bereits viele Erkrankungen diagnostiziert werden. In den letzten Jahren haben sich für die Schulteruntersuchung eine Vielfalt von klinischen Tests etabliert, die gute Hinweise auf die einzelnen Problembereiche geben.

Ergänzt wird sie durch ein Röntgenbild der Schulter, durch die Ultraschalluntersuchung und letztlich durch die Kernspintomographie (MRT). Die Sonographie ist eine schmerzfreie, beliebig wiederholbare und billige Funktionsuntersuchung der Schulter, die Hinweise auf Erkrankungen erhärtet. Optimaler Einsatzbereich sind sicher Erkrankungen der Rotatorenmanschette mit Nachweis einer Rotatorenmanschettenruptur und einer Bursitis. Die MRT ist bislang die beste objektive bildgebende Untersuchungsmethode zur Beurteilung von Schultererkrankungen. In der MRT sind indirekte Zeichen des subakromialen Impingementsyndroms nachweisbar wie z.B. die Schulterdachform, knöcherne Anbauten und Ausziehungen im Schultereckgelenksbereich (AC-Arthrose), Verdickung des coracoacromialen Bandes und Signalveränderungen der Sehnen. Auch kann die Bizepssehne meist gut beurteilt werden. So kann hier bereits häufig dem Patienten das Ausmaß und die Therapie der Erkrankung erläutert werden.

Auch können in bestimmten Fällen Infiltrationen mit einem kurzwirksamen Lokalanästhetikum zur exakten Diagnostik notwendig sein, z.B. im Schultereckgelenksbereich.

 

Schematische Darstellung eines Rotatorenmanschettenrisses Kernspintommographie eines Risses im M. supraspinatus
 

Die Behandlung

Viele Patienten mit einer Tendinitis können ohne Operation therapiert werden. Die Behandlung besteht grundsätzlich aus der Verabreichung von nicht-steroidalen Antirheumatika mit entzündungs- und schmerzstillender Wirkung, krankengymnastischer Übungsbehandlung und Modifikation der Aktivität, wie der Vermeidung überbeanspruchender Tätigkeit. Auch kann eine Infiltration mit Steroiden in den Subakromialraum eine Besserung erzielen. Die chirurgische Therapie empfiehlt sich bei Erfolglosigkeit der konservativen Therapie und bei größerem Schädigungsausmaß der Sehne.

Operative Therapie

Liegt eine alleinige Einengung des subakromialen Raums vor, z.B. durch Bursitis und Tendinitis, also ein klassisches externes Impingement, so genügt in den meisten Fällen eine sogenannte arthroskopische subakromiale Dekompression, also eine Erweiterung des Subakromialraums durch „Abschleifen“ des Schulterdachs (Akromion), was meist arthroskopisch über zwei kleine Stichinzisionen durchgeführt wird. Dabei wird auch ein Teil des entzündeten Schleimbeutels mittels elektrothermischen Geräten entfernt und auf eine exakte Blutstillung geachtet.

 

Schema des zu entfernenden Knochenvorsprungs Intraoperativer Situs von außen mit arthroskopischen Zugängen

 

Intraoperatives Bild einer subakromialen Dekompression Intraoperatives Bild des Subakromialraums mit elektrothermischem Gerät